Recyclingprozess von Kunststoffverpackungen mit unsichtbaren Codierungen
Jährlich werden in Deutschland mehrere Millionen Tonnen Kunststoffabfall verursacht. Die Recyclingquote liegt dabei jedoch weit unter der, durch effiziente Recyclingprozesse, zu erreichenden Quote. Eine wesentliche Ursache für einen erschwerten Kunststoffrecyclingprozess stellt die oftmals verschiedene Materialzusammensetzung unterschiedlicher Produkte dar, die eine Zuordnung der einzelnen Kunststoffteile zu einer Materialkategorie während des Sortierprozesses nahezu unmöglich macht.
Für diese Problemstellung wurde 2016 erstmalig unter der Leitung von The Procter & Gamble Company die Initiative HolyGrail, mit dem Ziel, Lösungen für die Sortierung von Kunststoffverpackungen zu entwickeln und eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu fördern, ins Leben gerufen. Das Folgeprojekt HolyGrail 2.0, das 2020 startete, verfolgt die Absicht „unsichtbare“ digitale Wasserzeichen in verschiedene Kunststoffverpackungen einzubringen und spezielle Kunststoffsortieranlagen zu konzipieren. In dieser zweiten Phase wurde ein industrieller Test innerhalb der Wertschöpfungskette initiiert, um Daten zur Umsetzbarkeit digitaler Wasserzeichentechnologien zu generieren.
Im Vergleich zu herkömmlichen Barcodes ermöglichen digitale Wasserzeichen die Abbildung von Informationen auf der gesamten Produktoberfläche. Hierfür wird ein pixelbasiertes Wasserzeichen generiert, das mehrmals aneinandergereiht, während der Produktion auf die Produktoberfläche eingebracht wird. Das Wasserzeichen kann dabei nicht nur Informationen zum Produkt, zur Haltbarkeit und der Materialzusammensetzung, sondern darüber hinaus auch für den Endverbraucher einsehbare Informationen zur Entsorgung und dem Recyclingprozess enthalten.
Das Wasserzeichen selbst muss dabei in einer Weise in die Kunststoffverpackung integriert werden, die eine Lesbarkeit durch die Kamerasysteme der Kunststoffsortieranlagen gewährleistet, ohne dabei die Produktästhetik oder Designaspekte zu beeinträchtigen. Selbst handelsübliche Smartphones können diese unsichtbare Codierung auslesen und damit die in der Codierung enthaltenen Informationen für den Endverbraucher lesbar machen. Die Vision von SPIES Packaging, beliebige Informationen unbedruckter Kunststoffteile ohne sichtbare Codes und in höchster Auflösung zu digitalisieren, ist in enger Zusammenarbeit mit dem Oberflächenspezialisten Reichle Technologiezentrum gelungen.
Für die Integration der Wasserzeichen wurden vom Oberflächenspezialist Reichle Technologiezentrum in enger Zusammenarbeit mit dem Verpackungshersteller SPIES Packaging, unterschiedliche Texturen entwickelt und auf lasertexturierten Musterplatten abgeformt. Im Anschluss wurden diese für erste Tests zur Funktionsfähigkeit in Bezug auf das Design und die Farbgebung in den Pilot-Sortierungsanlagen erprobt.
Die hochpräzisen digitalen Wasserzeichen konnten von Reichle in ihrem Design- und Entwicklungscenter in bestehende Oberflächentexturen integriert werden. Hierfür waren zahlreiche digitale Optimierungsschleifen notwendig. Damit konnte das Ziel, das Produktdesign nicht durch die notwendige Codierung zu beeinträchtigen, erreicht werden. Das bedeutet, dass die Codierungen bzw. die digitalen Wasserzeichen in jegliche Fein- oder Designstrukturen unsichtbar integriert werden können. Lediglich die Farbe des Kunststoffes hat eine Auswirkung auf die Lesbarkeit der Codierung in den Sortieranlagen, was insbesondere auf die geringeren Kontrastverhältnisse bei hellen Kunststofffarben zurückzuführen ist.
Die Strukturen inkl. der Codierungen können im Minimum 1µm Tiefe haben, sind aber nach oben hin unbegrenzt realisierbar. Selbst nahezu hochglänzende Oberflächen können samt der Codierung erzielt werden. Hierfür sind hochspezielle Laseranlagen und jahrelanges Know-how in der Laserbearbeitung von elementarer Wichtigkeit. Die Strukturen mit integrierten digitalen Wasserzeichen können nicht mehr über die herkömmlichen Verfahren Erodieren oder Ätznarben eingebracht werden, sondern ausschließlich über moderne Lasertechnik. Vorteile dieser Technologie sind insbesondere eine absolute Reproduzierbarkeit bei volldigitalen Prozessen, weltweite Qualitätsstandardisierung, höchst effiziente Herstellungsprozesse, nahezu grenzenlose Designfreiheit und ein deutlich nachhaltigeres Verfahren.
Exemplarisch wurde durch Lasertechnologie ein für die Kamerasysteme der Sortieranlagen lesbarer Code in zwei Entwicklungsformen der Firma SPIES Packaging integriert, die für die Produktion von Bechern und Deckeln verwendet werden. Der Verpackungsdeckel konnte im Recyclingprozess selbst bei mehrfacher Zerteilung von der Sortieranlage erkannt und richtig zugeordnet werden. Selbiges Ergebnis konnte bei weiteren Tests mit einem kompletten Becher, sowie vollständig transparentem Material erreicht werden. Die Codes können dabei selbst durch bedruckte IML Folien hindurch gelesen werden. Dies wird dadurch realisiert, dass der Code, der alle relevanten Informationen für die Kamerasysteme in den Sortieranlagen beinhaltet, vollflächig auf der gesamten Produktoberfläche vorhanden ist. Dieser Code ist dabei für das menschliche Auge nicht mehr als Code erkennbar, sondern unsichtbar in der Oberflächenstruktur integriert. Ein großes Augenmerk wurde bei der gemeinschaftlichen Entwicklung auch darauf gelegt, dass die Zykluszeiten zur Herstellung der Kunststoffverpackung im Spritzgießprozess unverändert niedrig bleiben. In Zukunft sollen so Verpackungen, mit in der Oberflächentextur integrierten digitalen Wasserzeichen in großem Maßstab umgesetzt werden. Damit tragen die Unternehmen SPIES Packaging und Reichle Technologiezentrum einen großen Teil zur Lösung des Problems des großflächig anfallenden Verpackungsabfalls bei.
Auch über die Möglichkeiten innerhalb der Holy Grail Recycling Initiative hinaus, kann diese Entwicklung der Digitalisierung von Kunststoffteilen diverse Möglichkeiten in der Zukunft eröffnen. Ein denkbarer Anwendungsbereich ist beispielsweise der Produktschutz durch Originalitätskennzeichnung.
Mehr Informationen zu SPIES Packaging finden Sie unter: www.spies-packaging.com